Zur Geschichte jüdischer Friedhöfe in Münster
Wo eine jüdische Gemeinde entsteht, hat das Bemühen um einen eigenen Friedhof hohe Priorität. Nur so kommen die Toten der Gemeinde ja an einen Ort, der sie als „Haus der Ewigkeit“ bleibend schützt.
Der Jüdische Friedhof an der Einsteinstraße war und ist nicht der einzige in der Stadt Münster …
Der erste jüdische Friedhof in Münster (13. und 14. Jahrhundert)
Bereits die mittelalterliche jüdische Gemeinde Münster, deren Anfänge bis ins 13. Jh. zurückreichen, besaß einen Begräbnisplatz. Er lag auf dem Gelände des heutigen Gymnasium Paulinum, wo heute ein Gedenkstein daran erinnert. Lediglich zwei Grabsteinfragmente – das älteste von 1313/14 und ein weiteres von 1324 – sind von diesem Friedhof heute noch erhalten. Einige wenige andere wurden im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts bei Bauarbeiten an verschiedenen Orten Münsters „wiederentdeckt“, weil sie zur Verstärkung von Fundamenten oder Mauerwerk benutzt worden waren.
Ein Zwischenspiel zur Täuferzeit (1536–1554)
Die mittelalterliche jüdische Gemeinde war ausgelöscht. Für 200 Jahre lang gibt es nur vereinzelte Hinweise darauf, dass Juden in Münster lebten. Das änderte sich mit Bischof Franz von Waldeck. Er holte jüdische Familien aus seiner nordhessischen Heimat nach Münster. Sie waren ihm nützlich als Steuerzahler, Geldverleiher und Heilkundige. Aber auch diesmal durften Juden in Münster nicht heimisch werden ...
Neuanfang mit einem Notfall (1811)
Unter französischer Herrschaft hatten sich in Münster die ersten jüdischen Familien niederlassen können. Anfang des Jahres 1811 trat eine Delegation der Münsteraner Judenschaft an den geschäftsführenden Bürgermeister heran mit der dringenden Bitte, ihnen einen Begräbnisplatz zuzuweisen, da ein Todesfall eingetreten sei. Der Bürgermeister stellt sich auf ihre Seite, braucht aber die Zustimmung des Repräsentanten der französischen Besatzungsmacht. Und der reagiert zurückhaltend...
Ein Tag für die Genehmigung! (1812)
Ein Jahr später, am 1. Juni 1812, unternahm die jüdische Gemeinde erneut einen Vorstoß, zu einer eigenen Begräbnisstätte zu kommen. Wieder war ein Kind gestorben. Diesmal schreibt Nathan Metz direkt an den neuen Präfekten, der im Schloss residiert. Er beruft sich auf die neue Rechtslage, die alle Religionen gleichstellt, und appelliert an sein Wohlwollen und seinen Gerechtigkeitssinn. Wird sich der Präfekt davon bewegen lassen?
Im Rahmen der Tradition (1812–1880)
Aus der Zeit vor 1840 ist nur ein einziger Grabstein erhalten – der Einschlag einer Bombe im Zweiten Weltkrieg hat viele der älteren Steine zerstört. Das rechte Gräberfeld des Friedhofs spiegelt vor allem die 1860er bis 1880er Jahre; der Bereich links des Hauptweges kam ab 1887 dazu. Die älteren Grabsteine geben einen repräsentativen Eindruck von der Traditionsgebundenheit und den Glaubensüberzeugungen der jüdischen Familien in der Zeit, als Münster Teil des preußischen Königreiches war, und bis in die Anfänge des Deutschen Kaiserreiches.
Deutsche Staatsbürger jüdischen Glaubens (1880–1933)
Im Deutschen Kaiserreich (1871–1918) hatten jüdische Männer und Frauen endlich ihre Gleichberechtigung als deutsche Staatsbürger und Staatbürgerinnen mosaischen Glaubens erreicht, und dies galt auch für die Zeit der Weimarer Republik (1919–1933). Die Grabsteine aus diesen Jahrzehnten sowie die 1928 errichtete Trauerhalle dokumentieren die Selbstverständlichkeit, mit der man die Kultur der Mehrheitsgesellschaft aufnimmt und sich zu eigen macht; sie dokumentieren den Stolz, als Deutsche dazuzugehören; sie dokumentieren aber auch die bleibende Verbundenheit mit der jüdischen Tradition – die sich seit dem frühen 19. Jahrhundert selbst in einem umgreifenden Wandel befand.
Unter NS-Herrschaft (1933–1945)
Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde neben dem Friedhof eine Kaserne errichtet. Der Friedhof selbst blieb erhalten; es gab jedoch nach dem Auslöschen der Jüdischen Gemeinde Pläne der Stadtgemeinde ihn zu veräußern. Eine Reihe von Grabsteinen dokumentieren auf ihre Weise die Geschichte anfänglicher Hoffnungen, nach dem Kaufhausboykott 1933 und den ersten diskriminierenden Gesetzen werde sich die Situation beruhigen, über die zunehmende Vertreibung und schließlich Deportation und Ermordung der jüdisch-deutschen Münsteraner und Münsteranerinnen.
Ein beherzter Neubeginn (1945–1990)
Nach dem Ende des II. Weltkrieges kehrten vereinzelt Überlebende der Shoah in das Münsterland und in die Stadt Münster zurück. Besonders das Ehepaar Siegfried und Else Goldenberg setzte sich unermüdlich für den Neuaufbau einer Gemeinde ein, wozu auch die Instandsetzung des Friedhofs gehörte. Die Gemeinde blieb, wie alle jüdischen Gemeinden in der jungen Bundesrepublik, klein.
In die Gegenwart
Mit dem Zuzug der sog. Kontingentflüchtlinge aus den Ländern der ehemaligen UdSSR wuchs die Gemeinde ab 1990 auf das Dreifache an, so dass weiterer Bedarf für Begräbnisplätze absehbar war. Im Jahre 2002 stellte die Stadt Münster einen vom christlichen Teil abgetrennten Begräbnisplatz auf dem städtischen Friedhof ‚Hohe Ward‘ in Hiltrup zur Verfügung. Der Friedhof an der Einsteinstraße kann seitdem nur noch von Gemeindemitgliedern, denen dort bereits früher eine Grabstätte zugesichert war, genutzt werden.